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Berlin Marathon 2022

Links vor mir dreht sich Mario rum... "Wir sind gleich da, Matze!". Nicht mehr

weit. Ich zähl schon eine Weile die Kilometerschilder. Laut meiner Uhr sind

wir eigentlich schon da, aber die ist ja vor ca. 7km ausgestiegen und zeigt

mir alles mögliche an, aber nichts was Sinn macht. Ich versuche an ihm

dranzubleiben, wir ziehen das hier schon so lange zusammen durch.

Soll ich ihn einfach weglaufen lassen, jetzt, so kurz vor Schluss? Nein, wir

beenden das zusammen. Sind sicher noch ein paar Körner da, die ich

gerade irgendwo in den Tiefen meiner Waden, Oberschenkel und Lungen

zusammenkratze. In letztere strömt immer wieder die Berliner Luft,

die Atemfrequenz ist echt noch in Ordnung. Die Beine halten durch. Schwer sind sie dennoch. Die Füße sind Matsch, ich spüre die Blase am rechten Fußballen. Die Ermüdung steigt seit einer Weile, langsam, aber stetig. Kurz darauf sehen wir das Brandenburger Tor, wir sind da... Aber von vorne: Am Samstag sind wir hier in Berlin angekommen. Sachen abgeben und erstmal los zur Marathonexpo. Ein wenig drüberschlendern und schauen was es so gibt. Der Flughafen Berlin-Tempelhof macht Eindruck, auch wenn er gar nicht so riesig ist. Die Abfertigungshalle mit den stillgelegten Check-In Schaltern sieht aus, als würde sie immernoch auf Fluggäste warten. Aber niemand checkt hier mehr ein. Es geht gerade durch zur Expo. Dort gibt es so ziemlich alles was das Läuferherz begehrt. Die Starnummernausgabe, natürlich am Ende der Expo, man soll ja an allen Ständen mal vorbeilaufen 😉, funktioniert tadellos und schnell. Startpass vorlegen, Startnummer holen, fertig. Ich hab mich für die Kleiderbeutelvariante entschieden. Alternativ gäbe es einen Poncho nach dem Marathon, aber vor dem Start darf man keine Rucksäcke, sondern nur den Kleiderbeutel in den Startbereich mitnehmen und dort abgeben. Da fällt die Wahl leicht. Ich schau nach Gels, nehme mir hier und da ein paar mit, zum rumprobieren im Training. Oft wird man direkt englisch angesprochen.  Kein Wunder bei der breite an Nationen die hier vertreten sind. 

                                                                                             Wir halten für das obligatorische Startnummernfoto Ausschau nach einem                                                                                                passenden Platz und finden bald was. Viele Fotowände sind voll mit                                                                                                            Menschen, hier steht man lange an. Nach dem Foto noch was essen                                                                                                          gehen, dann wieder zurück in die Stadt. Ich fühle mich immernoch leicht                                                                                                  verschnupft und mach alles davon abhängig wie ich morgen früh fühle.                                                                                                    Wenn es nicht besser wird, starte ich nicht. Die Gesundheit geht vor. Mit                                                                                                    leichtem Schnupfen ne halbe Stunde locker joggen gehen ist ja okay. Aber                                                                                              einen Marathon laufen? Vielleicht nicht ganz so cool. Ich werde heute nicht                                                                                              alt und hau mich eine Tablette später, gegen 22:00 Uhr ins Bett... Es ist noch                                                                                              dunkel, als am Morgen Wecker geht. Ich bin dennoch hellwach. Fasse mir an den Hals, alles top. Die Nase? Passt. Ich mach's! Ich stehe auf und mach mir eine Schüssel voll Müsli, dazu besten heißen Tee. Punkt 07:00 Uhr will ich in der U-Bahn sitzen. Die anderen pennen direkt am Hauptbahnhof im Hotel, Treffpunkt ist um 07:30 Uhr dort. Die U-Bahn Linie 6 bringt mich von Wedding zur Friedrichstraße, von wo aus ich mit der S-Bahn eine Station weiter zum Hauptbahnhof fahre. Durch meine Kopfhörer singt mir Shirley Davis was ins Ohr, perfekt um die Aufregung etwas zu dämpfen. Angekommen am Hotel, die restlichen MaliCrewler abholen. Alle da, alle fit. Kann losgehen. Wir laufen rüber zum Reichstag und machen uns im Start/Zielbereich auf den Weg zu den Ständen, an denen wir unsere Kleiderbeutel abgeben können. Hier und da muss man ein Stück weiter zu seinem Stand laufen, alles nach Startnummern sortiert. Die Suche dauert nicht lange und notfalls hilft einer der unzähligen Volunteers. Wir bewegen uns Richtung Startbereich und schlendern dort noch ein wenig rum. Etwa gegen 09:30 Uhr soll unser Block starten. Wir finden uns langsam dort ein. Hier und da war jeder nochmal für sich selbst unterwegs. Mario, Thomas, Mic und ich stehen bereit. Aber von Micha keine Spur. Die Profis starten unter dem Applaus der Läufer und Zuschauer. Die Bedingungen sind ein Traum. Leicht bewölkt, wenig Sonne, nicht zu warm, nicht zu kalt. Endlich dürfen etwas später auch wir ran. Die Läuferschar setzt sich in Bewegung. Langsam geht es Richtung Startlinie. Das Feld lockert sich und wir laufen los, über die Startlinie und Play auf der Uhr gedrückt, machen wir zusammen die ersten Schritte der 42,195km durch Berlin. Thomas will es etwas gemütlicher angehen und lässt sich zurückfallen. Nach 2km nimmt auch Mic mal kurz raus und ich laufe zu zweit mit Mario weiter. Eigentlich sollte Micha hier auch dabei sein, der ist aber weit und breit nicht zu sehen. Wir halten dennoch hier und da die Augen nach ihm offen, vielleicht entdecken wir ihn irgendwo. Hier laufen viele interessante Menschen mit. Ninja, Supergirl, König. Irgendwann überholen wir jemanden, der einen Baumstamm mit sich rumträgt. Krasser Typ. Es purzeln die Kilometer nur so runter und wir halten unser Tempo. Die Verpflegungsstationen alle paar Kilometer geben alles was man braucht. Nach 10km fühlt sich alles noch super gut an. Nach 15km auch, das geht schnell hier. Die Leute am Rand machen Party, Bands von Jazz über Klassik, Feuerwehrkapellen und Punkrock, runden das Programm am Straßenrand ab. 

Mario wird irgendwann zum Star der Zuschauer. Ich hab nicht mitgezählt wie oft ich seinen

Namen gehört habe. "You doing a good Job!", "You're looking good!", "Yeah, Mario!".

Aber auch ich werde ab und zu angefeuert. Das macht richtig Spaß hier. An den

Verpflegungsstationen verlieren wir uns manchmal kurz, finden uns aber schnell wieder.

Bei km 20 ist Mario plötzlich dennoch weg. Ich laufe einen knappen Kilometer alleine,

nehme etwas Tempo raus und höre ihn hinter mir rufen. Da isser wieder. Irgendwie klappt

das trotzdem alles. Kurz darauf komme ich in ein kleines Tief. Nach 25km hab ich ein

erstes Loch, ziemlich früh, aus dem ich mich aber schnell wieder rauslaufen kann.

Auch Dank der jubelnden Massen am Straßenrand, die einen hier fast durch die Straßen

tragen. Bei km 30 überholen wir eine Frau, etwa 1,50m groß, drahtig, mit geschätzt

etwas mehr als 70 Jahren Lebenserfahrung, und sicher mit einer 5er Pace unterwegs.

Chapeau! Die rockt das! Irgendwann steht einer am Rand und brüllt in die Menge,

dass Eliud Kipchoge mit neuem Weltrekord gewonnen hat. Unglaublich! Die Leute treiben

uns weiter nach vorne, es wird dennoch langsam hart, aber immerhin bis km 35 lief

alles glatt. Wir schreiben km 41 oder so... Links vor mir dreht sich Mario rum... "Wir sind gleich da, Matze!". Nicht mehr weit. Ich zähl schon eine Weile die Kilometerschilder. Laut meiner Uhr sind wir eigentlich schon da, aber die ist ja vor ca. 7km ausgestiegen und zeigt mir alles mögliche an, aber nichts was Sinn macht. Ich versuche an ihm dranzubleiben, wir ziehen das hier schon so lange zusammen durch. Soll ich ihn einfach weglaufen lassen, jetzt, so kurz vor Schluss? Nein, wir beenden das zusammen. Sind sicher noch ein paar Körner da, die ich gerade irgendwo in den Tiefen meiner Waden, Oberschenkel und Lungen zusammenkratze. In letztere strömt immer wieder die Berliner Luft, die Atemfrequenz ist echt noch in Ordnung. Die Beine halten durch. Schwer sind sie dennoch. Die Füße sind Matsch, ich spüre die Blase am rechten Fußballen. Die Ermüdung steigt seit einer Weile, langsam, aber stetig. Kurz darauf sehen wir das Brandenburger Tor, wir sind fast da.

                                                                                             "Eigentlich müsstest du jetzt die GoPro rausholen", sagt er. Ich hatte die                                                                                                       schon gar nicht mehr auf dem Schirm. Ich mach meinen Laufgürtel auf und                                                                                               kram die Kamera raus. Ja, durchs Brandenburger Tor könnte das echt gut                                                                                                 aussehen. Wir laufen darauf zu und mitten durch, haben nur noch wenige                                                                                                 hundert Meter vor uns. Plötzlich tut gar nichts mehr weh, immer wieder                                                                                                     diese Endorphine. Da ist die Ziellinie. Über die Matte und Ende Gelände!                                                                                                   Aufpassen wo man hinläuft. Links die Kotze von denen die es übertrieben                                                                                                 haben, rechts die jubelnden, die sich alles gut eingeteilt haben. Die                                                                                                             Medaille umgehängt und langsam aus dem Zielbereich herausgehen. 3:21:09h, das geht natürlich mehr als in Ordnung. Wir holen uns was zu trinken und gehen Richtung Reichstag. Wenn ich mich jetzt auf die Wiese setze, komme ich dann wieder auf? Egal, einfach probieren. Wo sind die anderen? Micha war schon vor uns im Ziel, kurz nach uns kam Mic, Thomas hatte mit Krämpfen zu kämpfen. Aber auch er kam heile an. Genau wie alle anderen der MaliCrew. Wir sitzen vorm Reichstag und tauschen uns aus. Mittlerweile scheint die Sonne, als hätten wir sie bestellt. Wir reden über Hamburg, nächstes Jahr, wir haben schon Bock. Mal sehen, was kommt. Aber ich würde schon gerne nochmal Kilometerschilder zählen...

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